die furche - 297

Columbus und der Preis der Versöhnung

Simon Wiesenthal hat in seinem Buch über Christoph Columbus neue, überraschende Gründe für die Eroberung der Neuen Welt aufgezeigt.

Wer kennt nicht jene Aneinanderreihung von Zufällen, von der man im Rückblick sagt: das kann kein Zufall sein! Von einer solchen Ereignisfolge will ich erzählen.

Sie beginnt mit der Nachricht, dass Protestierende der „Black Lives Matter“-Bewegung in Boston ein Columbus-Standbild stürmten. Schon in den Tagen zuvor war es zu Aufmärschen vor den Denkmälern von Kolonisatoren gekommen.

Tags darauf kam ich an der Wühlkiste eines Antiquitätenladens vorbei, wo mir nach kurzem Blättern – ganz zufällig – ein Buch mit dem Titel „Segel der Hoffnung. Die geheime Mission des Christoph Columbus“ in die Hände fiel. Da meine Neugier schon geweckt war, erstand ich es sogleich um wenige Euros. Autor des 1972 erschienenen Werks: Simon Wiesenthal, jener Mann, der als Überlebender des Holocaust seine ganze Energie der Suche nach Nazi-Kriegsverbrechern gewidmet und maßgeblich an der Auffindung von Adolf Eichmann mitgewirkt hatte.

Für Columbus interessierte sich Wiesenthal vor allem deshalb, weil dieser vermutlich aus einer konvertierten jüdischen Familie stammte und der Start seiner Entdeckungsreisen keineswegs zufällig in den Sommer 1492 fiel. Damals endete mit dem Fall von Granada gerade der maurische Einfluss in Spanien. Zugleich spitzte sich unter Königin Isabella die Verfolgung der Juden dramatisch zu. Wer unter dem Druck der Inquisition noch nicht zum Christentum konvertiert war, wurde zum Verlassen des Landes gezwungen. Letztmöglicher Emigrations-Termin war genau jener Tag, an dem Columbus zu seiner ersten Entdeckungsfahrt aufbrach.

Bei seinen Expeditionen wurde er von wohlhabenden Familien ursprünglich jüdischer Herkunft unterstützt, die große Hoffnungen auf die Entdeckung von Neuland für ihr verfolgtes Volk setzten. Ein bösartiges Edikt untersagte jedoch bald danach die Ansiedlung von Juden in den Kolonien der neuen Welt.

In meiner Bibliothek fand ich noch am selben Abend eine Bestätigung dieser für mich neuen Version der Entdeckung Amerikas. Sie findet sich in „Gottes erste Liebe. Die Juden im Spannungsfeld der Geschichte“, einem großen Werk aus der Feder des der FURCHE über viele Jahre eng verbundenen Friedrich Heer. Er beschrieb schon 1967 die „Entdeckung Amerikas im Geist der jüdischen Utopie“.

Als nun vor wenigen Tagen alle im österreichische Parlament vertretenen Parteien – mit Ausnahme der FPÖ – beschlossen, seitens des Nationalfonds jährlich einen Simon-Wiesenthal-Preis zu vergeben, mit dem zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust ausgezeichnet werden soll, freute ich mich darüber vor dem Hintergrund des eben Dazugelernten ganz besonders.

Die Zustimmung der Sozialdemokraten kann nach all den unsäglichen Auseinandersetzungen, die einst Kanzler Kreisky mit dem „Nazi-Jäger“ ausgetragen hatte, als späte Versöhnungsgeste gelten. Die Abgeordneten der FPÖ hingegen disqualifizierten sich gründlich mit ihrem zynischen Vorschlag, den Preis doch besser gleich nach Bruno Kreisky zu benennen. D a s war leider kein Zufall.

23. Juli 2020

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