die furche - 67

Mission not completed

 

„Die Beherrschung der Welt und ihre Grenzen“ hieß ein OPEN MINDS – Abend, den ich an der Wirtschaftsuniversität mit Konrad Paul Liessmann, der neuen Vizerektorin Edith Littich und dem ehemaligen „Austronauten“ und erfolgreichen Industriemanager Franz Viehböck moderierte. Wir sprachen darüber, warum in jüngster Zeit so viele unserer langfristigen Entwicklungsperspektiven in Frage gestellt werden.

 

Eine Machbarkeits-Illusion nach der anderen wird uns ausgetrieben: Seit Fukushima steht die friedliche Nutzung der Atomenergie unumkehrbar in Frage, Schwankungen auf den Rohstoffmärkten machen die schon vor vier Jahrzehnten aufgezeigten „Grenzen des Wachstums“ spürbar, die ökonomische und geopolitische Steuerbarkeit der Welt wird immer fraglicher. Jahrzehntelang unbestrittene Entwicklungen stoßen an ihre Grenzen, die Fortschreibung großtechnischen Wachstums ist nicht mehr selbstverständlich. Die Einstellung der bemannten Raumfahrt durch die USA wirkt da nur mehr wie die Bestätigung eines Rückzugs.

 

Eine neue „Welt-Unordnung“ mit zahlreichen Schauplätzen kriegerischer Auseinandersetzungen macht neue Formen des politischen Handelns erforderlich. Die Zweifel an der Handlungsfähigkeit der globalen Institutionen nehmen zu, bewährte Patentrezepte für den politischen Fortschritt sind plötzlich wirkungslos. Und ausgerechnet jetzt gerät in Folge der Finanzkrise auch das europäische Projekt in schwere Turbulenzen.

 

Heißt es also „Mission completed“, gibt es für die heutigen Generationen keine Utopien mehr? Wo liegen die großen Handlungsbögen der Politik, wo die Visionen für eine bessere Welt? Wie finden wir die tragfähigen Leitbilder von heute? Wie können wir Grenzen ausloten, ohne in gesellschaftspolitische Zielkonflikte zu geraten?

 

Eine der möglichen Antworten auf diese Fragen hörte ich Tage später anlässlich einer Tagung der Unternehmensberatung Roland Berger über Nachhaltigkeit. Der chinesische Ökonom Zhang Weiying sprach temperamentvoll über die Entwicklung seines Landes, des größten Binnenmarktes der Welt. Überzeugt von der wohlstandsfördernden Funktion offener Märkte, Eigentum an Produktionsmitteln und arbeitsteiligem Wettbewerb, provozierte er uns wachstumsmüden, saturierten Europäer mit einem Plädoyer für Selbständigkeit und unternehmerisches Handeln. Die sich aufdrängende Frage nach der politischen Freiheit in seinem Land beantwortete er diplomatisch: „Marketization before Democratization“. Keine unplausible Reihenfolge, wenn wir an das knappe Jahrhundert denken, das hierzulande zwischen Frühindustrialisierung und allgemeinem Wahlrecht lag.

 

Da war ich plötzlich wieder sicher, dass es sich gegenüber den so selbstbewussten asiatischen Mitbewerbern lohnt, die Beilegung der Euro-Krise zu unserer eigenen, innereuropäischen Sache zu machen, statt sie den von der politischen Lähmung verunsicherten und zugleich von ihr profitierenden Finanzmärkten auszuliefern. Niemand zwingt uns, die Grenzen der europäischen Idee so eng zu ziehen, wie wir das derzeit tun.

 

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