Klartext 8

Über die Erneuerung der Mitte

 

Es ist mir schon klar, dass eine in meiner Generation noch als „bürgerlich“ ausgeschilderte Partei heute mit anderen Begriffen beschrieben werden muss. Vor der Erinnerungskulisse von PolitikerInnen wie Heinrich Neisser, Erhard Busek, Josef Riegler, Maria Rauch-Kallat, Franz Fischler oder Wolfgang Schüssel ließe sich dazu assoziieren: Weltoffen, öko-sozial-liberal, aber auch wertkonservativ und pragmatisch bei der Durchsetzung ihrer Anliegen – keinesfalls aber „BURGERlich“!

Dass Karl Nehammer die bei einem Parteitreffen flapsig hergestellte Verknüpfung des Themas Kinderarmut mit der Leistbarkeit von Fast-Food im Nachhinein zu rechtfertigen suchte, statt sich davon zu distanzieren, trug ihm viel Kritik ein und lieferte den selbst unter Druck gekommenen politischen Mitbewerbern willkommene Munition. 

Wenn die kommende Nationalratswahl für die politische Mitte solide ausgehen soll, wird es jedenfalls nicht ausreichen, in einer Situation allgemeiner Verunsicherung an den Glauben an dieses Land zu appellieren. Dieser Glaube bedarf auch der Verankerung in einer berechtigten Hoffnung auf die Umsetzung zukunftssicherer Konzepte in den Themenfeldern Wirtschaft, Bildung, Soziales, Migration, Sicherheit und Umwelt. Nur mit glaubwürdigen Strategien lässt sich das Abdriften der Mitte-Wähler nach Rechtsaußen einbremsen.

Dass gerade die umweltpolitische Positionierung dringend einer Korrektur bedarf, hängt mit dem beim Start der Koalition ausgerufenen Bild von der „besten beider Welten“ zusammen. Es verfestigt den Eindruck einer Arbeitsteilung, die alle Umweltthemen den Grünen überlässt, während sich die Volkspartei exklusiv der Wirtschaftsfragen annimmt. Für eine Partei, die einst Vorreiter einer öko-sozialen Marktwirtschaft war, ist das zu wenig. 

05. Oktober 2023

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