Klartext 7

Schweigen macht mitschuldig

 

So überladen mit Informationen unser Medien-Alltag erscheinen mag: nicht selten ignoriert die Mainstream-Berichterstattung unhaltbare Zustände in Weltgegenden, von denen schon deshalb niemand erfährt, weil davon Betroffene politisch zu sehr unter Druck stehen, um sich eigenständig Gehör verschaffen zu können.

Ein bedrückend aktuelles Beispiel dafür ist die sich anbahnende humanitäre Katastrophe in der Region Berg-Karabach. Der Konflikt zwischen den dort um ihre Autonomie ringenden christlichen Armeniern und den mehrheitlich schiitischen Aserbeidschanern hat eine lange Geschichte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion endete ein mehrjähriger Krieg mit einem Waffenstillstand. 2020 eroberte dann Aserbeidschan die Armenien benachbarte Enklave zurück.

Seit acht Monaten blockiert nun Aserbeidschan mit Rückendeckung Russlands die einzige Straßenverbindung zwischen Armenien und Berg-Karabach. Der dadurch erzwungene Stopp sämtlicher Handelsströme und zuletzt sogar aller Hilfslieferungen führt zur drohenden Aushungerung der etwa hundertzwanzigtausend dort lebenden Menschen. Auf drastische Weise wiederholen sich so Ereignisse, wie sie seinerzeit Franz Werfel in seinem Roman über „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ beschrieben hat.

Der couragierten Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist zu verdanken, dass das lange Totschweigen dieses drohenden Genozids durchbrochen wurde. Beherzt organisierte sie einen Hilfskonvoi, der allerdings bis zuletzt ebenfalls blockiert wurde.

Die internationalen Organisationen stehen nun in der Pflicht, bei der aserbeidschanischen Regierung mit höchstem Nachdruck jenes Minimum an humanitären Standards durchzusetzen, für deren Gewährleistung sie schließlich geschaffen wurden. Jedes weitere Schweigen würde sie zu Mitschuldigen machen. 

07. September 2023

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