Klartext 5

EU-Digitalgeld kann warten!

 

„Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum so wenig?“ Nun, zu Zeiten Johann Nestroys, von dem dieses schöne Zitat stammt, gab es noch kein so ausgeprägtes Banken- und Kapitalmarktsystem wie heute. Und keine Notenbanken, die für die in ihrem Einflussbereich ausgereichten Währungen letztverantwortlich sind und in Krisenzeiten die Geldmenge massiv erhöhen. Nun schickt sich die Europäische Zentralbank an, nach Münzen, Papiergeld und Buchgeld mit dem digitalen Euro eine nächste, wahrlich historische Ausbaustufe vorzubereiten.

Die Eile, mit der die EZB dieses Projekt vorantreibt, macht mich, ich gebe es zu, stutzig, sind doch die vielen Facetten der denkbaren Umsetzungsformen noch längst nicht zu Ende gedacht. Zwar schillert die Palette der sich auftuenden Chancen in den buntesten Farben – bankenunabhängige, kostengünstige Alternativen zum Bargeld für jedermann/frau, direkte, supranationale Liquiditätshilfen in Finanzkrisen und vieles mehr.

Zugleich aber tun sich Abgründe an möglichen Gefahren auf: Energie- und Netzabhängigkeit nach faktischer Abschaffung des Bargeldes, Verdrängung der Banken in ihrer realwirtschaftlich unverzichtbaren Mittlerfunktion zwischen Geldanlage und Kreditgewährung, aber auch Benachteiligung all jener, denen digitale Zugangsmöglichkeiten verschlossen bleiben. Ein echter Zusatznutzen im Vergleich zu ohnehin leistungsfähigen Bezahlsystemen ist bisher nicht erkennbar.

Der digitale Euro will Zahlungen über digitale Geldbörsen („Tokens“) zur Regel machen. Dabei wäre es angesichts unzähliger Fälle von betrügerisch missbrauchten Kryptogeldern viel vordringlicher, all diese problematischen Konstrukte endlich regulatorisch in den Griff zu bekommen. Erst dann wird das Feld für einen gut durchdachten digitalen Euro frei.

13. Juli 2023

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