Klartext 33

Ein Kinofilm als Denkanstoß

 

Dass die Wege zur österreichischen Staatsbürgerschaft sogar für hier geborene und längst integrierte Noch-immer-nicht-MitbürgerInnen mühsam und nicht selten schikanös sind, ist vielen von uns durch Beispiele aus ihrem Umfeld bekannt.[1] Nur selten beschäftigt dieses Thema allerdings die Öffentlichkeit, was wiederum der Politik allzu lange erlaubt hat, einen Bogen darum zu machen.

Die preisgekrönte Regisseurin Olga Kosanovic eröffnet nun mit ihrem Film „Noch lange keine Lipizzaner“ die Chance, das zu ändern. Die in Korneuburg geborene und in Wien lebende Tochter serbischer Eltern nimmt darin ihren eigenen, labyrinthischen Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft zum Anlass für einen facettenreichen Blick auf einen oftmals grotesken Einbürgerungs-Hindernislauf.   

Experteninterviews sowie höchst lebendige und nachdenklich machende Gespräche mit Antragstellern und „Einheimischen“ zeigen auf, wie aus der Zeit gefallen die gängige Praxis ist. Dass die Einbürgerung längst integrierter MitbürgerInnen an geringfügigen Parkstrafen scheitern kann; oder an der Unterschreitung von Einkommensgrenzen, die im wirklichen Leben von zwei Dritteln aller Einheimischen nicht erreicht werden; oder auch an einem vorschriftswidrig langen, studienbedingten Auslandsaufenthalt: man will es nicht glauben.

Ich träume von einer Sondervorführung dieses außergewöhnlichen Kinofilms im Plenum des Parlaments, vor allen Mitgliedern des Nationalrates wie des Bundesrates, gemeinsam mit den Regierungsmitgliedern. Nach neunzig Minuten wüssten sie alle, warum eine Reform der gegenwärtigen, extrem formalistischen Einbürgerungspraxis unaufschiebbar ist. Menschen, die sich aus langjähriger Lebens- und Berufspraxis längst zugehörig fühlen, muss das Dazugehören ermöglicht werden!

[1]Ein Fallbeispiel dazu schildert FURCHE-Kolumne 333, „Höchste Zeit für einen Neubeginn“ (aus FURCHE 51/52, 2021)

18. September 2025

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