Klartext 32

Weder Lechts noch Rinks

 

Der im Jahr 2000 verstorbene Ernst Jandl, dessen hundertster Geburtstag zu Anfang des Monats gebührend gefeiert wurde, veröffentlichte vor dreißig Jahren sein wohl bekanntestes Wortspiel: „manche meinen, lechts und rinks kann man nicht velwechsern: werch ein Illtum“. Wer hätte damals, als die Politikstile der dominierenden Traditionsparteien links und rechts der Mitte noch gut unterscheidbar waren, vorausahnen können, dass des Dichters ironische Zeilen von Jahr zu Jahr an Realitätsgehalt gewinnen würden.

Dabei liegt das Problem weniger in der Verwechslung als schlicht darin, dass politische Konzepte zusehends nach dem „Absenderprinzip“ schubladisiert werden – noch bevor man sie auf ihren Gehalt untersucht. Sachgerechte, allparteiliche Lösungen lassen sich so nur mehr höchst selten durchsetzen. Noch so vernünftige Ideen bleiben unverwirklicht, weil sie, mit dem falschen Etikett versehen, im parteilichen Social-Media-Sperrfeuer abgekanzelt werden.

Dass es auch anders und demokratiepolitisch reifer zugehen kann, zeigen regelmäßig skandinavische Staaten, die etwa in der hierzulande gerade wieder auf die lange Bank geschobenen Frage der Pensionsreform allesamt zu tragbaren Generationenlösungen gefunden haben.

Noch viel deutlicher wird das Problem unserer ausgeprägten Parteilichkeits-(Un-)Kultur in der Migrationsfrage. Wer sich hierzulande das erfolgreiche Konzept der dänischen Ministerpräsidentin zum Vorbild nehmen wollte, würde nämlich ohne weitere Überprüfung der Sachlage als Rechtsaußen und menschenfeindlich abgestempelt.
Jandl würde dazu wohl sagen: Werch ein Illtum! Schafft es doch die Sozialdemokratin Mette Frederiksen ganz nebenbei, in ihrem Land das Erstarken von Rechtsaußen-Parteien zu verhindern.

21. August 2025

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