Klartext 31

Zollpolitisches Wettrüsten

 

„Um zu verstehen, wer euch steuert, müsst ihr nur entdecken, wen ihr nicht kritisieren dürft“: diese nüchterne Feststellung Voltaires, des großen Philosophen der Aufklärung, bestätigt sich gerade jetzt wieder auf der Bühne der Weltpolitik. Dass Diktatoren und Autokraten nur um den Preis der Freiheit kritisiert werden dürfen, ist dabei nichts Neues. Ungewohnt ist jedoch, dass derzeit auch im Weißen Haus eine Tonlage angeschlagen wird, die selbst langjährige Partner immer häufiger vor die Qual der Wahl zwischen Unterwürfigkeit und faulem Kompromiss stellt. Das Gerangel um ein neues Zollregime zeigt, dass es dabei längst nicht mehr um die Sache selbst geht, sondern vor allem um Machtfragen. Gleiche Spielregeln für alle – das war einmal.

Zwar liefert das US-Warenhandels-Defizit mit Europa tatsächlich einen guten Grund für das Drehen an der Zollschraube. Allerdings darf dann nicht ausgeblendet werden, dass für Europa im Bereich der (digitalen) Dienstleistungen mit einem jährlichen Defizit von 150 Mrd. US-Dollar gegenüber den USA ein vergleichbares Problem vorliegt, das geradezu zwingend die Einführung einer Digitalsteuer nahelegt. Wer aber wagt es, diesen Abtausch durchzusetzen? Dass Trump derzeit Rückenwind von den US-Börsen bekommt und überdies von der deutlichen Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro profitiert, macht die Sache nicht gerade leichter. Zudem ist Europa in der Ukraine-Frage erpressbar.

Die EU-Kommission hat unter dem dänischen Ratsvorsitz bisher noch keine verhandlungspolitischen Fehler gemacht. Dies eröffnet die Chance, dass sich Europa in der doppelten Wortbedeutung dafür rüstet, dauerhaft in die Rolle einer Großmacht zu wachsen, die im neuen geopolitischen Machtspiel auch mit kritischen Positionen ernst genommen wird. 

24. Juli 2025

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