Klartext 29

Kapitalismus – oder was?

 

Vor wenigen Tagen hatte ich einen Termin bei den Heiligen Drei Königen – oder, genauer: im Büro der Dreikönigsaktion. Anlass dafür war deren Initiative #tanzengegenkinderarbeit, mit der man junge Menschen dafür gewinnen will, gegen die Lockerung der Lieferkettenrichtlinie der EU zu protestieren.

Weil mir dieses Thema zu komplex erscheint, um es aktionistisch in die Hände von Kindern zu legen, wandte ich mich per Mail an die Initiatoren. Schon tags darauf erhielt ich die Einladung zu einem Gedankenaustausch, in dessen Verlauf mich die Sachkenntnis meiner GesprächspartnerInnen ebenso beeindruckte wie ihre Verbindungen zu internationalen Organisationen sowie zu einigen der von Kinderarbeits-Problemen meistbetroffenen Weltregionen. In der Frage der Lockerung der Lieferkettenrichtlinie, die aus meiner Sicht wegen mangelnder Praktikabilität der Ursprungsfassung ihre Berechtigung hat, blieb es allerdings bei unterschiedlichen Sichtweisen.

Nach diesem konstruktiven Gespräch stellte sich mir nicht zum ersten Mal die viel grundlegendere Frage, an welchen Wirtschaftsmodellen sich alle, die nach einer besseren Welt streben, orientieren sollen. Die sozial-marktwirtschaftlichen Wohlfahrtsstaaten Europas kämen dafür gut in Frage. Die katholische Kirche lässt sie jedoch meist unbeachtet, obwohl sie ihren Ursprung Persönlichkeiten mit christlich-humanistischer und ordo-liberaler Prägung verdanken.

Auch Papst Leo XIV übte in seiner Inaugurationsrede in Anknüpfung an Franziskus grundsätzliche Kapitalismus-Kritik, ohne Wirtschaftsmodelle zu erwähnen, die mit klugen Regeln für Wohlstand und sozialen Ausgleich sorgen. Dennoch will ich hoffen, dass er letztlich doch zu einer Sichtweise findet, die der europäischen Wirtschaftsordnung ihre verdiente Rolle als Leitbild einräumt. 

28. Mai 2025

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