analyse zweier geldpolitischer sommerthemen

Bares Geld und böse Banken

 

Obwohl die wirtschaftspolitische Diskussion von der noch immer zu hohen Inflation und Rezessionsängsten beherrscht wird, drängten sich zuletzt geld- und finanzpolitische Themen in die Schlagzeilen. Es geht dabei um mehr als parteipolitisches Kleingeld.

Den Anfang machte Bundeskanzler Karl Nehammer, als er per Video in IKEA-nischer Jovialität die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechtes auf Bargeld versprach: "Bezahlst du bar oder mit Karte? Ich will, dass du das auch in Zukunft selbst entscheiden kannst“. Erste Reaktionen auf diese als populistisch wahrgenommene Positionierung fielen ablehnend aus. Als ob wir keine anderen Sorgen hätten!

Ein näherer Blick zeigt allerdings, dass es angesichts einer sich international massiv verstärkenden Konkurrenz zwischen digitalem und barem Geld um mehr geht, als dem Volkskanzler-Kandidaten ein Wahlkampfthema wegzukickeln.

Auch wenn Martin Selmayr als Vertreter der EU-Kommission in Österreich durchaus korrekt darauf verweist, dass Euro-Banknoten und Euro-Münzen kraft EU-Recht geschützt seien: es muss wohl gute Gründe dafür gegeben haben, dass die EU in einer Verordnung vom Juni dieses Jahres Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel ausdrücklich festschreibt. Offensichtlich wollte man angesichts der durchaus sinnvollen Einführung von Bargeld-Obergrenzen zur Bekämpfung von Schwarzgeld-Kriminalität Klarheit darüber schaffen, dass sich diese Maßnahme nicht gegen das Bargeld als solches richtet.

Selbst wenn Währungsangelegenheiten seit unserer Zugehörigkeit zum Euro-Raum zweifellos in europäischer Zuständigkeit liegen, mag es deshalb auch auf nationaler Ebene vernünftig sein, Ängste zu nehmen – und sei es mit dem Instrument der verfassungsrechtlichen Absicherung. Zumal einige skandinavische Staaten, in denen der Bargeldgebrauch bereits verschwindend gering ist, auf dessen Abschaffung drängen.

Dementsprechend gelassen reagiert Verfassungsgerichtshof-Präsident Grabenwarter auf den Versuch einer verfassungsrechtliche Bargeld-Verankerung, weiß er doch nur allzu gut, dass das Textkonvolut unserer heutigen Verfassung zahlreiche Bestimmungen enthält, die im Lauf der Jahrzehnte anlassbezogen zustande kamen. Derlei Überfrachtung ist nun einmal Teil unserer Realverfassung.

Das Bargeld-Thema lässt sich im Übrigen gar nicht parteipolitisch verorten. So zählt etwa der linksliberale Wirtschaftspublizist Norbert Häring („Handelsblatt“) zu den ausgewiesenen Skeptikern der zunehmenden Digitalisierung allen Geldverkehrs. Er warnt davor, dass das Zurückdrängen des Bargelds nicht nur zum gläsernen Menschen führt, sondern bestimmte Bevölkerungsgruppen dauerhaft marginalisieren würde. Dazu kommen die Schwärmereien monetärer Anarchos, die von einer durch „Krypto“-Währungen von Notenbanken unabhängigen Welt träumen.  

Erst jüngst ließ Sam Altmann, Erfinder des digitalen Sprachwunders „Chat-GPT“, mit der ebenfalls von ihm kreierten Fake-Währung „Worldcoin“ aufhorchen. Das futuristisch anmutende Prinzip: aus jedem Scan der bei allen Menschen unterschiedlich ausgebildeten Regenbogenhaut entsteht die Zugehörigkeit zu einer Geld-Community – und wer mitspielt, erhält zum Dank dafür gleich eine der fiktiven Geldeinheiten. Schon mehr als eine Million ErdenbürgerInnen haben bei dieser Versuchsanordnung mitgemacht. Wenn es nun aber jedermann/frau freisteht, eigene „Währungen“ zu erfinden – wen wundert da die Verunsicherung ob all des Wildwuchses, dem die Politik ebenso untätig zuschaut wie die für Finanzmarktregulierung zuständigen Aufsichtsbehörden.  

Nicht zuletzt wird das Bedürfnis, den Gebrauch von umlaufendem Bargeld dauerhaft abzusichern, dadurch verstärkt, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) in den Wettbewerb der Notenbanken um die Schaffung digitalen Geldes eingelassen hat, obwohl der Zusatznutzen eines digitalen Euro bis dato nicht plausibel darstellbar ist.

Die hohe öffentliche Aufmerksamkeit für die Bargeld-Frage ließ den grünen Koalitionspartner nicht ruhen.  Sozialminister Johannes Rauch brachte mit geharnischter Kritik an bösen Banken, die zu wenig Zinsen zahlen, ein nicht weniger zugkräftiges Thema auf und beauftragte den Verein für Konsumenteninformation (VKI), gegen eine in den Girokonten-Verträgen der Bank Austria verankerte Nullverzinsung zu klagen. Finanzminister Brunner begrüßte diese Initiative und legte den Banken nahe, nicht den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, sondern aus eigenem Interesse kundengerechte Lösungen zu treffen. Auch eine Wiederbelebung der in Folge der Finanzkrise eingeführten Bankensteuer schließt er nicht aus.

Die Klage des VKI zielt auf jene Privatkonten, über die der laufende Zahlungsverkehr abgewickelt wird. Auf diesen wurden die Zinsen für Kontoüberziehungen drastisch angehoben, während sämtliche Guthaben faktisch unverzinst bleiben – obwohl die Banken für Einlagen bei der EZB derzeit nicht weniger als 3,75 Prozent erhalten.  Dieser Praxis muss tatsächlich auf den Zahn gefühlt werden, zumal ja der Wechsel einer Bankverbindung alles andere als einfach ist.

Bei Sparkonten hingegen sind Zinsanpassungen längst an der Tagesordnung. Die SparerInnen nützen hier den offensichtlich funktionierenden Wettbewerb der Banken um Spareinlagen und können mit Verzinsungen täglich fälliger Gelder von zwei Prozent und darüber rechnen. Zusätzlich erleichtert die seit der Finanzkrise 2008 auf hunderttausend Euro erhöhte Einlagensicherung den Wechsel des Bankenpartners.

Der Vorrang in den bevorstehenden Gesprächen mit den Bankenvertretern sollte allerdings angesichts zuletzt massiv angestiegener Kreditkosten bei variabel vereinbarten Verträgen der Sorge um die Leistbarkeit von langfristigen Wohnbaudarlehen gelten. Die Politik ist hier dringend gefordert, mit den Banken nach Lösungen zu suchen, die geeignet sind, eine andernfalls drohende Kreditklemme mit all ihren konjunkturellen Folgen zu verhindern. Die nächste Finanzkrise wird nämlich viel eher durch den laschen Umgang mit unregulierten Schattenbanken verursacht werden als durch allzu lockere Vergabe von Wohnbaudarlehen. Aber das ist eine andere Geschichte …  

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