dir furche - 358

Europas Kampf gegen unfairen Wettbewerb

Europa braucht Strategien für einen fairen Standortwettbewerb mit den USA.

An den Börsen herrscht Nervosität. Gerade erst haben Kursgewitter die Bewertung vor allem von Technologieunternehmen nach unten getrieben – da zeichnet sich schon wieder eine scheinbare Erholung ab. Auslöser dafür ist eine in den USA zuletzt mit 7,7 Prozent etwas unter den Prognosen liegende Inflationsrate, die erwarten lässt, dass die Notenbank ihren harschen Zinserhöhungskurs bald wieder beenden könnte.

Da die Barwerte künftiger Erträge bekanntlich umso höher ausfallen, je niedriger der ihrer Berechnung zugrundeliegende Zins ist, bildeten sich in den vergangenen Jahren deutlich überzogene Kurswerte heraus. Vergleichbares gab es um die Jahrtausendwende bei der ebenfalls von Niedrigzinsen und überzogenen Erwartungen in digitale Technologien getriebenen „New Economy Bubble“. Auch damals bediente sich die US-Notenbank der spitzen Nadel steiler Zinsanstiege, um dem inflationären Geschehen ein letztlich unsanftes Ende zu setzen. Diesmal ist allerdings die damit verbundene Rezessionsgefahr auf Grund des Ukraine-Krieges und Spannungen mit China deutlich höher als damals.

Die USA rüsten sich gegen den möglichen Wirtschaftseinbruch mit einem schon im August verabschiedeten, 430 Milliarden US-Dollar schweren, protektionistischen Industrie-Förderprogramm, das die ohnehin unter extremem Energie-Kostendruck stehenden europäischen Unternehmen durch Importrestriktionen massiv herausfordert. Erst nach einer längeren Schrecksekunde wird dieses wettbewerbsverzerrende Subventionsinstrument von der europäischen Politik kritisch wahrgenommen.

Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno LeMaire spricht sogar offen von „für die EU nicht akzeptablen protektionistischen Elementen“ und plädiert im Gegenzug für die Entwicklung einer „Made-in-Europe“-Strategie. Dazu kommt einige Verärgerung über einseitig verhängte US-Blockaden gegen chinesische Halbleiterprodukte, von denen Europa schon heute indirekt im Umweg von Zulieferern mitbetroffen ist.

Umgekehrt ist den USA schon länger ein Dorn in Auge, dass Europa die Einfuhr von Produkten mit großem CO2-Fußabdruck mit Sonderzöllen belegen möchte und Wege sucht, die Oligopole der amerikanischen Digital-Plattformen aufzubrechen. Zur Verhinderung eines aus diesen Interessensgegensätzen entstehenden transatlantischen Handelskrieges wurde mittlerweile eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die nach für beide Seiten verkraftbaren Kompromissen suchen soll.

Europa braucht wirksame Strategien gegen die Verlagerung industrieller Wertschöpfung an wettbewerbswidrig gepuschte US-Standorte. Auch bedürfen kritische Hochtechnologien, die gegen Lieferkettenprobleme und künftige Boykotte anfällig sind – von Batteriezellenfertigungen bis zu Chipfabriken – besonderer forschungspolitischer und standortpolitischer Unterstützung. Dass dabei auch beträchtliche innereuropäische Konkurrenz um zukunftssichere Arbeitsplätze mitspielt, macht die Sache nicht einfacher. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, wenn wir im globalen Standortwettbewerb nicht unterliegen wollen. 

17. November 2022

download