Die Furche - 349

Ein Gedenkplatz für Bertha von Suttner

Falls es zu einer Umbenennung des Karl-Lueger-Platzes kommt, läge eine Widmung für Bertha von Suttner nahe.

Es gab Zeiten, in denen mein Interesse an Neuigkeiten nahezu unersättlich war. Mittlerweile bin ich angesichts der Hyperinflation an verstörenden Nachrichten, die tagtäglich auf uns einprasseln, gewissermaßen „ersättlich“ geworden und nehme Informationen seltener und selektiver auf. Das schafft Freiräume für zeitlosere Themen.

So kam es, dass ich zu Anfang des Monats dank eines ORF-Hörbildes über Bertha von Suttner auf die Zeitgenossenschaft der 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Pionierin der internationalen Friedensbewegung zu Karl Lueger aufmerksam wurde. Die engagierte Vorkämpferin für Frauenrechte lebte nämlich nach dem frühen Tod ihres Ehemanns ab 1902 bis an ihr Lebensende im Juni 1914 in Wien. Ihre Wohnung lag in der Zedlitzgasse 7, also in unmittelbarer Nähe des 1926 nach Bürgermeister Karl-Lueger benannten Platzes, dessen Umbenennung erst kürzlich in einem offenen Brief von Nobelpreisträger Eric Kandel, Georg Stefan Troller und anderen Holocaust-Überlebenden gefordert wurde.

Erst nach näherer Recherche zu dieser zunächst nur räumlichen Querverbindung wurde mir bewusst, dass Bertha von Suttner neben ihren friedenspolitischen Initiativen auch den Mut hatte, als Gegnerin des von Lueger politisch instrumentalisierten Antisemitismus an die Öffentlichkeit zu treten. Zwei Jahre nach dem Erscheinen ihres zum Welterfolg gewordenen Anti-Kriegs-Romans „Die Waffen nieder“ gründete sie mit ihrem Ehemann Arthur Suttner sogar einen eigenen Verein zur Abwehr des Antisemitismus, der – so hieß es im Gründungsmanifest – „als eine gegen Humanität und Gerechtigkeit sprechende Geisteshaltung nicht nur für die Juden, sondern für die ganze Gesellschaft gefährlich“ sei.

Es erscheint mir deshalb naheliegend, das Andenken an Bertha von Suttner in die aktuellen Überlegungen zur Frage mit einzubeziehen, wie mit dem Denkmal für den zwischen 1897 und 1910 als Wiener Bürgermeister wirkenden Dr. Karl Lueger sowie dem nach ihm benannten Platz an prominenter Stelle des Ersten Bezirks weitergehen soll. Zeithistoriker Oliver Rathkolb plädiert zwar statt Entfernung für „Kontextualisierung“, also eine historisch erklärende Einbettung der Gedenkstätte und des Platzes. Dennoch ist die endgültige Form des Gedenkens an den Janus-köpfigen Kommunalpolitiker, der sich einerseits als Modernisierer Wiens um Neunzehnhundert verdient gemacht und andererseits als übel hetzender Antisemit hervorgetan hatte, letztlich noch offen.

Sollte es am Ende doch noch zu einer Umbenennung des Platzes kommen, wie sie vor zehn Jahren bei der Neubenennung des Universitätsrings erfolgte, wäre meiner Überzeugung nach Bertha von Suttner die ideale Namensgeberin. Nach ihr ist bis heute nur eine Straße im 22. Bezirk benannt. In Würdigung ihrer humanistischen, friedenspolitischen und emanzipatorischen Lebensleistung stünde ihr ein wesentlich prominenteres Gedenken im historischen Zentrum Wiens zu. Nicht zuletzt könnte damit vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ein friedenspolitisches Zeichen gesetzt werden. 

28. Juli 2022

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