Die furche - 348

Euro-Kurs: (K)ein Grund zur Sorge?

Die Ukraine-Krise wird zur Gefahr für den Zusammenhalt des Euro – eine Grundsatzreform ist überfällig!

Zwanzig Jahre lang war ein Euro mehr wert als ein US-Dollar. Seit wenigen Tagen ist er das nicht mehr. Müssen wir uns ob dieser Parität der beiden wichtigsten Welt-Währungen Sorgen machen? Nun, ein Verlust des Außenwertes unserer Gemeinschaftswährung von gut zehn Prozent gegenüber dem Jahresanfang wäre unter normalen Umständen zunächst unspektakulär, gewissermaßen halb so „draghisch“. Man könnte ihn auf die vorauseilenden Zinserhöhungen der US-Notenbank zurückführen und zugleich auf eine baldige Stärkung des Euro setzen, sobald die EZB – reichlich verspätet – ihrerseits mit Zinserhöhungen nachzieht.

Nun leben wir aber nicht in Normalzeiten. Europa befindet sich seit Putins brutalem Überfall auf die Ukraine in einem Wirtschaftskrieg mit Russland und weist aus diesem Titel aus der Sicht internationaler Anleger negative Vorzeichen aus. Dazu kommt nun, zu allem Überfluss, die politische Instabilität Italiens. Selbst wenn Ministerpräsident Mario Draghi bis zu der im nächsten Frühjahr stattfindenden Neuwahl noch eine interimistische Koalition zustande brächte: ab sofort fehlt er in der Rolle eines vertrauensstiftenden Stabilisators der Euro-Zone.

Bekanntlich war er es ja, der 2012 als EZB-Präsident in einem gekonnten Zusammenspiel mit den EU-Gremien dafür Sorge trug, dass die damalige Euro-Staatsschuldenkrise beendet werden konnte. Die Einrichtung unlimitierter Liquiditäts-Linien für Banken und die gleichzeitige Gründung des permanenten Stabilisierungsfonds ESM brachten einen für den Zusammenhalt der Euro-Zone entscheidenden Entwicklungsschub. Der darauf aufsetzende Wachstums- und Stabilitätspakt zeigte Wirkung – ablesbar an Budgetkonsolidierungen in praktisch allen Euro-Staaten, einschließlich des hoch verschuldeten Italien.

Dann jedoch brachte die Corona-Krise neuerliche Unruhe ins Geschehen. Als die Anleihekosten höher verschuldeter Eurostaaten mit Beginn der Pandemie anstiegen, reagierte seine Nachfolgerin Christine Lagarde unverzüglich mit einem großvolumigen Anleihen-Ankaufsprogramm (PEPP). Die EZB nahm seit damals den Großteil der neu begebenen Schuldverschreibungen – unter faktischer Umgehung der Euro-Verträge – in die eigenen Bücher.

Dass es mit Auslaufen dieses Programmes am Ende der Pandemie völlig unerwartet zu einer noch viel tiefer ins Wirtschaftsgeschehen einschneidenden Krise kommt, lässt nun wieder alle Alarmglocken schrillen. Deshalb brüten Europas Währungshüter bereits über einem weiteren Anleihe-Ankaufprogramm voll von Versprechen, die sie eigentlich nicht halten dürfen. 

Über dieses Erste-Hilfe-Paket hinaus werden allerdings spätestens jetzt grundsätzlichere Reformüberlegungen für eine glaubwürdige Finanzarchitektur der Eurozone unausweichlich sein. Der Vertrag von Maastricht muss endlich neu verhandelt, die Balance zwischen budgetärer Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten und Gemeinschaftsverschuldung neu definiert werden. Sollte dieses lange aufgeschobene Reformerfordernis auch diesmal wieder ignoriert werden, müssten wir uns wirklich Sorgen machen! 

21. Juli 2022

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