die Furche - 338

Über Sanktionen und Kollateralschäden

Noch nie gab es Wirtschafts-sanktionen dieser Dimension. Ob ihr Einsatz zur Beendigung des Krieges oder zu weiterer Eskalation führt, ist offen.

Wirtschaftssanktionen gelten nach allen bisherigen Erfahrungen als zwar schmerzhaftes, letztlich aber zahnloses Instrument. Der damit bezweckte Regimewechsel bleibt meist aus, da ja den betroffenen BürgerInnen diktatorischer Regime alle dafür unabdingbar notwendigen Freiheiten vorenthalten werden. Vor diesem Hintergrund hatte Ukraine-Aggressor Putin offensichtlich nicht damit gerechnet, dass sich der freie Westen so rasch auf ein Sanktionspaket ganz neuer Ausprägung und Dimension einigen würden.

Zum einen geht es dabei um Kontosperren und die Konfiskation des Vermögens von Oligarchen aus dem Land mit der nachweislich extremsten Einkommens-Ungleichheit der Welt. Sie durch persönliche Betroffenheit zum Abrücken von Putin zu bewegen, ist hoffentlich zielführend. Dass sich sogar die Schweiz und der Finanzplatz London zur Mitwirkung bereit erklärten, hat positiv überrascht.

Ein zweiter, unmittelbar nach Beginn der russischen Aggression eingesetzter Sanktionshebel besteht in der Aussperrung russischer Banken von der Teilnahme am internationalen Zahlungssystem „SWIFT“. Auch die wichtigsten Kreditkartengesellschaften haben sich diesem Boykott mittlerweile angeschlossen. Im Unterschied zu den wesentlich zielgenaueren Maßnahmen gegen mit dem Diktator verbundene Einzelpersonen wird hier jedoch flächendeckend die am Kriegsgeschehen unbeteiligte russische Bevölkerung getroffen, deren Meinungsfreiheit überdies durch rigide Zensur brutal unterdrückt wird.

Die Ankündigung der Sperre des Zahlungsverkehrs mit Russland hat auch hierzulande bereits zu einem unerwarteten Kollateralschaden geführt. Das zuständige Gremium der Europäischen Bankenunion befehligte nämlich die Zwangsschließung der in Wien angesiedelten „Sberbank Europe“ durch die österreichische Finanzmarktaufsicht. Dass diese Tochtergesellschaft der größten russischen Bank – sie hatte 2012 die Geschäfte der ehemaligen „Volksbank International“ übernommen – wirtschaftlich gesund ist und in keinerlei direkter Beziehung zum Herrn des Kremls stand, hat man offensichtlich übersehen. Ihre Schließung schadet nun wohl am wenigstens dem, den sie treffen sollte.

Nun wird die Einlagensicherung mit über 900 Millionen Euro einspringen müssen, bis aus der Zwangsabwicklung der bilanziell soliden Bank Rückzahlungen erfolgen können. Bei genauerem Hinsehen wäre das so vermeidbar gewesen wie der sofortige Jobverlust von einigen hundert MitarbeiterInnen.

Das massivste finanzpolitische Sanktionsgeschütz gegen die russische Aggression stellt jedoch die Isolation der russischen Nationalbank und die damit verbundene Sperre ihrer Reserven dar. Kriegsherr Putin kann damit auf seine in den letzten Jahren aufgebauten monetären Arsenale im Wert von 670 Milliarden US-Dollar nicht mehr zugreifen. Auch Stützungsmaßnahmen für den prompt verfallenden Rubel werden damit blockiert. Noch ist offen, ob diese einschneidende Maßnahme dazu beitragen kann, die Kriegsverbrechen des Kreml-Herrschers zu stoppen oder im Gegenteil sogar eskalierend wirkt.

10. März 2022

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