die furche - 324

Ratlos gegen geopolitisches Extremwetter

Alle Versuche, Regime-Wechsel allein mit militärischen Mitteln zu erzwingen, sind gescheitert. Gefragt sind ergänzende Investitionen in friedenspolitische Projekte.

Der Anteil jener, die noch immer bezweifeln, dass wir Menschen Mitverursacher der Erderwärmung sind, wird nach diesem Sommer der geballten Überhitzungs- und Überschwemmungsphänomene wohl beträchtlich geschrumpft sein. Dass wir Verantwortung für die dauerhafte Bewohnbarkeit unserer Erde zu tragen haben, steht spätestens jetzt weitgehend außer Streit. Im krassen Gegensatz zu dieser wachsenden Übereinstimmung bei der Suche nach Frieden mit der Natur erleben wir allerdings die zunehmende Rat- und Konzeptlosigkeit der freien Welt im Umgang mit den sich häufenden geopolitischen Extremwetterereignissen.

Denn während in den Jahren nach der Ostöffnung eine weltweite Konvergenz in Richtung demokratischer Rechtstaatlichkeit unaufhaltbar schien, zeichnet sich in den zwei Jahrzehnten seit den Anschlägen auf das World Trade Center eine diametral gegensätzliche Entwicklung ab. Immer zahlreicher werden die politischen Brandherde, immer konzept- und ratloser stehen die liberal-demokratischen Staaten des Westens diktatorischen Regimen und dem fundamentalistischen Terror unterschiedlichster weltanschaulicher Provenienz gegenüber. Die menschengemachte politische Klimakrise wird zur ständig anwachsenden, realen Bedrohung.

Trotz der vom Irak über Libyen bis zu Syrien und dem Jemen reichenden Kaskade außenpolitischer Fehlentscheidungen blieb bis zuletzt der Anschein intakt, der Westen handle nach einer schlüssigen, wenigstens langfristig durchsetzbaren Agenda. Mit der überstürzten Kapitulation in Afghanistan wird aus diesem Anschein Illusion. Der Westen erweist sich als unzuverlässiger Partner. Die absurd hohen militärischen Kosten von über 2 Billionen Dollar sind als verlorener Aufwand auszubuchen.

Das hat nicht nur drastische Auswirkungen auf jenen Teil der Bevölkerung, der mit den Vorzügen einer offenen Gesellschaft vertraut geworden ist und mit deren langfristiger Absicherung rechnen durfte. Beinahe ebenso verheerend ist die entmutigende Wirkung auf die um ihre demokratischen Grundrechte kämpfenden Bürger zahlreicher weiterer Staaten Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens, aber etwa auch des benachbarten Weißrusslands.

Angesichts der gescheiterten Versuche, Regime-Wechsel allein mit militärischen Mitteln herbeizuführen, stellt sich die Frage nach alternativen Strategien gegenüber diktatorischen Regimen. Sie werden einerseits dort anzusetzen haben, wo die jeweiligen politischen Eliten (wie nur verdienen sie diese Bezeichnung?) ihre Schmerzpunkte haben: Transparenz von Geldtransfers, Einschränkungen der Reisefreiheit, Kontrolle des Waffenhandels, ganz zuletzt auch handelspolitische Sanktionen.

Vor allem aber müssen die Investitionen in zivilgesellschaftliche und bildungspolitische Projekte ebenso wie in soziale und ökologische Friedenspolitik drastisch aufgestockt werden. Denn nur mit der Schaffung exemplarischer Friedenszonen, in denen sich Wohlstand für die breite Bevölkerung entwickeln kann, eröffnen sich realistische Chancen auf Eindämmung der geopolitischen Klimakatastrophe. 

19. August 2021

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