die furche -322

Steuern für Rettungspakete: Nichts ist fix

Wieder einmal ist es das Einstimmig-keitsprinzip, an dem die gesamteuropäische Steuerreform zu scheitern droht.

Die zu Anfang des Monats anlässlich der OECD-Tagung in Venedig von 132 Ländern unterzeichnete Einigung auf eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf Unternehmensgewinne ist zweifellos ein Meilenstein multilateraler Steuerpolitik. Sie soll künftig die Flucht in Niedrigsteueroasen unattraktiv machen. Zusätzlich will man die profitabelsten Großkonzerne der Welt dazu verpflichten, Steuern an all jene Staaten zu leisten, in denen sie hohe Umsätze und Erträge erzielen. Bis zur politischen Umsetzung steht dem ambitionierten Vorhaben allerdings noch eine ganze Reihe von Hindernissen entgegen.

Nicht das kleinste davon ist – angesichts des geltenden Einstimmigkeitsprinzips – der innereuropäische Widerstand seitens EU-Mitgliedsstaaten wie Irland, Estland und Ungarn. Diese haben das Abkommen nämlich nicht mitunterzeichnet. Trotz dieser offenen Flanke waren die Brüsseler Verhandler bedauerlicherweise auf Druck der USA vorauseilend bereit, ihre Pläne zur Einführung einer Digitalsteuer vorläufig zu schubladisieren. Das mag digitale Plattform-Konzerne wie Amazon freuen, ist aber doch einigermaßen ernüchternd.

Auch an der Umweltsteuerfront ist noch Vieles im Unklaren. Als Teil des EU-Klimapaketes „Fit for 55“ – gemeint ist das Ziel einer 55-prozentigen Reduktion der Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 – soll ja die Anwendung des CO2-Zertifikatehandels ausgeweitet und ein Grenzausgleich für umweltbelastete Importe geschaffen werden. Wie das so gelingen kann, dass daraus keine unerwünschten handelspolitischen Konflikte entstehen, ist noch offen. Hoffen lässt hier allerdings, dass sich mittlerweile auch die USA davor schützen wollen, für höhere Umweltstandards die Abwanderung von Industrien in Kauf nehmen zu müssen.

Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn sah sich vor diesem Hintergrund veranlasst, gegen das Klimapaket zu stimmen. Sein überraschender Einspruch ist jedoch kein Öko-Veto, sondern schlicht ein Fingerzeig des Finanzministers der Union auf das gravierende Versäumnis, das ambitionierte Programm veröffentlicht zu haben, bevor man sich auf eine entsprechende Fundierung durch verbindliche steuerpolitische Konzepte einigen konnte.

In Wahrheit holte er damit nach, was schon beim Schnüren des 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfspakets „Next Generation EU“ fällig gewesen wäre: nämlich das Drängen auf Benennung jener Finanzierungsquellen, aus denen die erstmals gemeinschaftlich aufgenommenen Gelder einst zurückgezahlt werden sollen. Denn ohne deren baldige Festlegung stünde die EU in Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu riskieren.

Wohl noch nie zuvor waren so viele steuerpolitische Bälle zugleich in der Luft. Sogar die Finanztransaktionssteuer könnte im globalen Wettbewerb der Konzepte eine neue Chance bekommen. Umsetzbar wäre sie aber erst dann, wenn sich die Überzeugung durchsetzt, dass es zur Schaffung einer nachhaltigen globalen Wirtschaftsordnung neben der ökologischen Runderneuerung der Industrie zwingend auch für die Geld- und Finanzwirtschaft neue Spielregeln braucht.

22. Juli 221

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