die furche - 315

Jeder Chat a Gfrett

Das Geschehen rund um die „Schmid-AG“ schafft es mühelos in die Top-Ten parteilichen Postenschachers.

Dass vertrauliche Dokumente von Insidern, wenn sie in die falschen Hände kommen, zur Munition für politische Gegner werden können, wusste schon Julius Raab. „Jedes Schriftl is a Giftl“ soll er einmal gesagt haben. Die „saloppen“ (©Gernot Blümel) Konversationen zwischen Kanzler, Finanzminister und dem selbsternannten Top-Bewerber um den Job des Alleinvorstands der von ihm maßgeblich mitkonstruierten Dachgesellschaft aller Bundesbeteiligungen, in den ihn der von ihm selbst ausgewählte Aufsichtsrat entlang der Kriterien einer wiederum von ihm maßgeblich mitgestalteten Ausschreibung berufen hat, sind ein eindrücklicher Tatsachenbeweis dieser alten Wahrheit. In unsere digitale Zeit übertragen müsste sie jetzt wohl heißen: „Jeder Chat is a Gfrett“.

Auch wenn es gute Gründe hat, dass staatsnahe Positionen mehrheitlich mit Personen besetzt werden, denen man nicht nur fachlich, sondern auch politisch vertraut: dieser so unerwartet, geradezu „ibizaesk“ ans Tageslicht gekommene Vorgang war alles andere als „business as usual“. Zweifellos gab es in der Geschichte der Zweiten Republik immer wieder problematische Besetzungs-Klimmzüge, die im Rückblick nicht dadurch besser werden, dass sie uns in keinerlei „Schriftln“ überliefert sind. Aber das Geschehen rund um die „Schmid-AG“ schafft es mühelos in die Spitzengruppe der „bad practice“-Fälle parteilichen Besetzungs-Managements.

Nun ist eine zügige Neubesetzung unumgänglich. Sie lässt sich bei gutem Willen in wenigen Wochen bewerkstelligen. Auch die Wiedereinführung eines allparteilichen Nominierungskomitees, das die Vorauswahl geeigneter Persönlichkeiten für die Aufsichtsratsgremien der Beteiligungsunternehmen übernimmt, kann Sinn machen.

Gar nicht wünschenswert erscheint mir hingegen eine – schon wieder! – „Neuaufstellung“ der Verstaatlichten-Holding. Bloßes Umrühren in der Buchstabensuppe, wie es von der früheren ÖIAG in die unglückselige ÖBIB und vor zwei Jahren zur ÖBAG geführt hat, bewirkt nämlich nichts, solange es kein klares Bekenntnis zu Ernsthaftigkeit, Professionalität und Überparteilichkeit im Umgang mit diesem industriepolitischen Herzstück der Republik gibt.  

In allen wesentlichen Staatsbeteiligungen stehen in diesen geopolitisch und handelspolitisch unruhigen Zeiten angesichts technologischer Umbrüche und konjunktureller Folgewirkungen der Pandemie grundlegende Weichenstellungen an. Die jeweiligen Geschäftsführungen wollen dabei von einem Holding-Management unterstützt werden, das weiß, wo das Geld herkommt und wie Wertschöpfung im globalen Wettbewerb entsteht.

Von der OMV über den Verbund und die Post bis zur Bundesimmobiliengesellschaft reicht der Handlungsbogen, innerhalb dessen die künftigen ÖBAG-Verantwortlichen den Auftrag haben werden, in einem anderen als dem bilanztechnischen Sinn zwischen Soll und Haben klar zu unterscheiden: Der Haben-Modus parteilicher Einflussnahme muss umgehend dem Soll-Modus eines klugen, auf Erfahrungswissen bauenden Umgangs mit dem anvertrauten Staatsvermögen weichen.

15. April 2021

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