die furche - 304

Preiswürdig: Courage und gute Ökonomie

Der diesjährige Wirtschaftsnobel-preis ging an die Erfinder neuer Auktkions-methoden. Wann wird man wieder ForscherInnen auszeichnen, die sich konkreter sozialökonomischer Probleme annehmen?

Alle Jahre wieder liefert die Verleihung der Nobel-Preise Anlass zu heißen Diskussionen. So ließ sich diesmal trefflich darüber streiten, wie sinnvoll es war, das „World Food Programme“ der Vereinten Nationen mit dem Friedens-Nobelpreis auszuzeichnen. Da es nun einmal die Kernaufgabe dieser UN-Organisation ist, Hungernöte zu bekämpfen, wäre sie wohl erst dann preiswürdig, wenn dieser Kampf deutlich erfolgreicher wäre als heute. Dass die dafür erforderlichen Geldmittel bis heute von der „Weltgemeinschaft“ nicht aufgebracht werden, ist beschämend. Ebenso der peinlich knausrige Beitrag Österreichs – zuletzt 2019 mit 4,08 Millionen Euro nur ein Bruchteil dessen, was vergleichbar wohlhabende Staaten wie die Schweiz, Schweden oder Dänemark leisten.

Es wäre meiner Überzeugung nach sinnvoller gewesen, hätte das Nobelpreis-Komitee einer jener mutigen Persönlichkeiten den Rücken gestärkt, die unter Einsatz ihrer Existenz an demokratiepolitischen Krisenherden der Welt mit friedlichen Mitteln um jene Freiheiten kämpfen, deren Gebrauch wir mitunter schon verlernt haben. Wie konnte da die weißrussische Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja einfach übersehen werden?

Hadern musste ich diesmal auch mit der Jury-Entscheidung zum Wirtschafts-Nobelpreis. Dieser ging bekanntlich an die beiden US-amerikanischen Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson. Sie haben sich um die Erfindung neuer Auktionsmethoden verdient gemacht, mit denen etwa Telekommunikations-Frequenzen versteigert werden können. Das ist unbestreitbar nützlich. Interessanter und wirksamer wäre jedoch gewesen, hätte sich das Komitee für die Würdigung von Forschungsanstrengungen entschieden, die zur Lösung akuter Problemstellungen beitragen.

Ob es um das weite Feld der „ökologischen Ökonomie“ geht, um neue Spielregeln für fairen Handel, um wachsende Ungleichheit oder wirksame Bekämpfung der Armut: an brisanten Fragen, für die es kluge Lösungsansätze braucht, herrscht wahrlich kein Mangel. Wer ForscherInnen stärkt, die auf solchen Gebieten neue Wege beschreiten, hilft ihnen dabei, gegenüber der allzu häufig formelhaft erstarrten Mainstream-Lehre selbstbewusster zu werden. Das brächte auch mehr frischen Wind in jene hochrangigen Publikationen („Top-Journals“), in denen sich Punkte für die akademische Laufbahn sammeln lassen.

Ausgerechnet die Wirtschafts-Nobelpreis-Wahl des Vorjahres liefert dafür ein höchst positives Beispiel. Soeben wurden die beiden Preisträger Esther Duflo und ihr Harvard-Forschungspartner und Ehemann Abhijit V. Banerjee für ihr Buch „Gute Ökonomie für harte Zeiten“ mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis ausgezeichnet. Weil sie davon überzeugt sind, dass die Ökonomie zu wichtig ist, um sie den Ökonomen zu überlassen, schreiben sie so über Entwicklungsökonomie und Armutsforschung, dass man sie wirklich verstehen kann. Man sollte die beiden mit der Frage befassen, wie und mit welchen neuen Geldquellen das World Food Programme in Zukunft deutlich wirksamer werden könnte als bisher.

29. Oktober 2020

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