die furche - 290

Es geht um mehr als “Geld oder Leben”!

Die Schäden des zu Recht verordneten Stillstands sind so groß, dass wir umso engagierter um verantwortete Formen der Lockerung kämpfen müssen.

Als der vertraute Himmelskörper in einer sternklaren Nacht während der Karwoche um ein Drittel heller leuchtete und zugleich deutlich größer erschien als sonst, war dies die erste, bewusste Nahmond-Erfahrung meines Lebens. Mitten in all den Corona-Wirren war ich dankbar für diese willkommene Ablenkung von der sonst so bedrückenden Meldungslage. Neben der andächtig machenden Schönheit des „Super-Mondes“ faszinierte mich vor allem die Berechenbarkeit dieses Naturphänomens, steht sie doch in beruhigendem Kontrast zu der absoluten Unberechenbarkeit dessen, was wir gerade erleben.

Gesichertes Wissen über den weiteren Verlauf der Pandemie ist nämlich nach wie vor bestürzend rar. Unbestritten erscheint lediglich, dass auf die Abflachung der Ansteckungskurve kein wirklicher Verlass ist und es daher noch viele Monate dauern kann, bis man uns wieder in die Unbeschwertheit entlässt. Folgerichtig sucht die Bundesregierung mit ihrer im internationalen Vergleich mehr als herzeigbaren Krisenstrategie bisher durchaus erfolgreich einen Zustand der „Triage“ zu vermeiden, der bei knapper werdenden Spitalskapazitäten Entscheidungen darüber erzwingen würde, welche erkrankten Personen noch gerettet werden sollen.

Aber um welchen Preis? Diese Frage muss jetzt, nachdem die erste Phase geglückt ist, gestellt werden dürfen, ohne dass gleich der Verdacht aufkommt, man vertrete damit nur „Wirtschaftsinteressen“. Je massiver nämlich das Herunterfahren des arbeitsteiligen, wertschöpfenden Lebens den Wirtschaftskreislauf beschädigt, desto deutlicher wird, dass wir schon längst in einer noch viel komplexeren „Triage“ verfangen sind. Denn im Schatten des dramatischen Zielkonflikts zwischen Sicherheit und einem Mindestniveau an ökonomischer Dynamik gehen die Schäden des verordneten Stillstands – quer durch beinahe alle Branchen und Berufsfelder – mittlerweile in Dimensionen, die mit noch so ambitionierten Sonderbudgets und Hilfsprogrammen nicht auszugleichen sein werden.

Deshalb wäre wünschenswert, dass zur Vorbereitung weiterer Lockerungen neben Virologen, Mathematikern und Wirtschaftsforschern mehr als bisher praxiserfahrene Personen einbezogen werden, die mit den konkreten Arbeitswelten der unterschiedlichen Branchen vertraut sind. In der Bauwirtschaft hat diese Form des Zusammenwirkens zwischen den Sozialpartnern bereits Früchte getragen. Lebensklugheit und ein realistisches Einschätzungsvermögen des Machbaren zählt dabei mehr als das Denken in herkömmlichen ökonomischen Modellen oder ideologischen Schablonen.

Beim Bemühen um die zügige Wiederherstellung unserer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit geht es jedenfalls beileibe nicht einfach um ein schnödes „Geld oder Leben“ sondern um das Ziel, Gesundheit und Lebensunterhalt für Alle wieder zeitgleich möglich zu machen.

Solange allerdings die Abwehr des Corona-Virus noch nicht so durchforscht ist wie Umlaufzeiten des Mondes um die Erde, werden wir damit leben müssen, im Ringen um die richtige Lösung nicht immer einer Meinung zu sein.

16. April 2020

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