die furche - 283

Möge die Übung gelingen!

Die lange Zeit künstlich hochgezogenen Mauern zwischen Wirtschaft und Umwelt werden mit dem türkis-grünen Regierungs-programm endlich eingerissen.

„Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, Pläne zu machen“. Diese Konfuzius zugeschriebene Weisheit scheinen sich die Koalitions-Verhandler zu Herzen genommen haben. Man gönnte sich genügend Zeit, um zunächst Grundsätzliches auszuloten und Vertrauen zu fassen, um erst darauf aufbauend ein pragmatisches, durchaus ambitioniertes Programm zu schmieden.

In einem sich ständig verändernden politischen Umfeld wird es bei der Umsetzung der Pläne durch das neue Regierungsteam allerdings auch Phasen geben, in denen es „sich anhängt“ und die Mühen der Ebene spürbar werden. Der koalitionäre Zusammenhalt wird vor allem dort strapaziert werden, wo es um die Konkretisierung zentraler, im Erstentwurf offen gebliebener steuerpolitischer Konzepte geht. Das gilt für die „Task-Force“ zur Konzeption einer „aufkommensneutralen“ CO2-Verbrauchsbesteuerung ebenso wie für die sachgerechte Auseinandersetzung mit dem kommenden EU-Haushalt und gesamteuropäischen Steuerthemen.

Die Ambition, die Abgabenquote zu senken und zugleich ökologische und infrastrukturelle Investitionsprogramme durchzuziehen, ohne die geplante Annäherung an das 60-Prozent-Verschuldungsziel zu gefährden, klingt zur Zeit noch nach Wunschdenken. Es sei denn, die in erstaunlich ambitionierter Weise angesprochene Verwaltungs- und Föderalismusreform legt – entgegen aller bisherigen Erfahrungen – jene Einsparungspotentiale frei, die man zum Lückenschluss brauchen wird. 

Schon wegen der zentralen Bedeutung dieses Themenfeldes sollte man erwarten, dass sich der eben erst angelobte Finanzminister entgegen seiner bisherigen Aussagen doch noch zu der Entscheidung durchringt, sich auf seine neue Aufgabe voll zu konzentrieren. Denn bei allem Respekt vor politischer Erfahrung: neben der Verantwortung für dieses Schlüsselressort und dem Nebenjob eines Koalitionskoordinators kann sich nicht auch noch ein Wien-Wahlkampf ausgehen. Überdies gibt es gute Gründe, die Rolle des Finanzministers mit jener des Bürgermeister-Kandidaten der Bundeshauptstadt schlicht als unvereinbar anzusehen.

Erfreulich ist, dass mit diesem Regierungsprogramm die lange Zeit künstlich hochgezogenen Mauern zwischen Wirtschaft und Umwelt weitgehend eingerissen werden. Beispielhaft dafür steht das erstaunlich ausführliche Kapitel über die längst überfällige Stärkung des Kapitalmarkts. Dass Wirtschaft und Soziales gut zusammengehen, kann in Österreich ja längst als erwiesen gelten – nun aber erfolgt auch die Versöhnung von Wirtschaft und Ökologie. Im Idealfall, bei klarer Festlegung neuer Spielregeln und Rahmenbedingungen, können exzellente Forschung und unternehmerischer Erfindergeist zu wirkungsvollen Beschleunigern der klimagerechten Erneuerung werden. 

Wenn es dann auch noch gelingt, in der so schwierigen Migrationsfrage in feinfühliger Kompromisssuche die richtige Mischung aus menschlicher Zuwendung und rechtsstaatlicher Abgrenzung zu finden, stünde einem Erfolg der neuen politischen Konstellation nichts mehr im Wege.

09. Jänner 2020

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