Die furche - 210

Arbeiten im digitalen Zeitalter

 

Eine der vielen Fragen, über die sich Ökonomen nicht einig werden können, ist die nach den Folgen des Vordringens von Robotern und der Digitalisierung für die Beschäftigung. Während die einen steigende Arbeitslosigkeit erwarten, sehen andere nur einen weiteren jener Technologiesprünge, die zwar zunächst Verluste von Arbeitsplätzen in bisher ausgeübten, traditionellen Tätigkeiten nach sich ziehen, dafür aber in anderen, bisher unbekannten Bereichen ganz neue Erwerbsmöglichkeiten eröffnen.

Die Sorge, dass unser Gesellschaft die Arbeit ausgehen könnte, begleitet uns jedenfalls, seit es technischen Fortschritt gibt. Auf einen eindrücklichen Beleg dafür stieß ich vor kurzem ganz zufällig bei der Lektüre des Programmheftes zur Oper „Peer Gynt“ im Theater an der Wien. Dort fand sich das folgende Zitat von Hannah Arendt aus ihrem 1960 veröffentlichten Hauptwerk „Vita Activa oder Das tätige Leben“: Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?

Waren es zu ihrer Zeit das Fließband und die ersten elektronischen Rechenautomaten, die solche Prognosen auslösten, sind es heute auf immer noch leistungsfähigeren Computern und Kommunikationstechniken beruhende Innovationen. Sie bewirken tiefgreifende Umbrüche einer Arbeitswelt, deren zukünftige Konturen wir noch nicht kennen. Wir nehmen zunächst vor allem die augenscheinlichen Job-Verluste wahr, während uns neu entstehende Berufsprofile wegen der ungewohnten Qualifikationen noch nicht vertraut sind.

Dabei liegt in den neuesten Produktionstechniken sogar die Chance, verloren gegangene, in Billiglohnländer abgezogene Arbeitsplätze zurückzugewinnen. Denn wo mit zunehmender Technisierung die Rolle der menschlichen Routine-Arbeit zurückgedrängt wird, sinkt deren Anteil an den Gesamtkosten der Produktion und damit auch der Anreiz, Arbeit auszulagern. Länder mit ausgeprägtem industriellem Fertigungswissen können diese als „Industrie 4.0“ ausgeflaggte Innovations-Welle besonders gut für sich nützen. Die Vollbeschäftigung in Deutschland liefert den besten Beweis dafür.

Beim genaueren Nachlesen des Textes von Hannah Arendt wurde mir allerdings bewusst, dass ihre eigentliche Sorge wohl der tiefer gehenden Frage gegolten hat, was wir mit der durch arbeitssparenden technischen Fortschritt neu gewonnen Freiheit anfangen, die eine zunehmende Entlastung von Erwerbsarbeit – auch in Form von verkürzter Arbeitszeit – mit sich bringt. Denn, so meint sie, diese Gesellschaft kennt kaum noch vom Hörensagen die höheren und sinnvolleren Tätigkeiten, um derentwillen die Befreiung sich lohnen würde.

Die Bildungsprogramme der Zukunft, so interpretiere ich diesen Satz, dürfen sich deshalb nicht mit dem ambitionierten Erwerb wichtiger neuer Berufsqualifikationen begnügen. Sie müssen auch dazu beitragen, unsere sozialen und mit-menschlichen Begabungen besser auszuschöpfen. 

09. März 2017

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