die furche - 158

Katastrophe oder Katharsis?

 

Ob die smart-forsche Gangart des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis erfolgreich sein wird, ist noch völlig offen. Der Gesprächsabbruch mit der Troika, das ungeordnete Gerede vom neuerlichen Forderungsverzicht und allzu lässige Schuld-Zuweisungen an Deutschland haben die Gläubiger kopfscheu gemacht – und ohne deren Mitwirkung gibt es nun einmal keine Verhandlungslösung.

Andererseits wirkt die Strategie, der europäischen Öffentlichkeit kalte Duschen zu verpassen statt sie weiter mit lauwarmen Halbwahrheiten ruhig zu stellen, wie ein Weckruf. Mit einem Mal stehen Grundsatzfragen auf der Agenda, die über den griechischen Anlassfall weit hinausreichen: Wie kann Europa wieder zu gesundem Wachstum finden, ohne sich am notwendigen Schuldenabbau vorbei zu schwindeln. Wie lassen sich budgetpolitische Strategien von Euro-Staaten vernünftig abstimmen, ohne deren Selbstbestimmung auszuschalten. Und wie kommen wir auch ohne neue Geldschwemme zu mehr unternehmerischer Initiative und höherer Beschäftigung? In einem Arbeitspapier unter dem Titel „A modest proposal for resolving the Euro-Crisis“ hat der ausgewiesene Ökonom Varoufakis gemeinsam mit seinem renommierten amerikanischen Kollegen James K. Galbraith dazu durchaus bedenkenswerte Vorschläge entwickelt.

Die Suche nach der nächsten Ausbaustufe eines tragfähigen Unterbaus der Eurozone muss jedenfalls nicht bei Null beginnen, ist doch seit Ausbruch der Schuldenkrise bereits viel geleistet worden. Das gilt etwa für das Zusammenspiel der Europäischen Zentralbank mit dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) in akuten Krisenfällen. Im nächsten Schritt ließe sich aus dem ESM ein vollwertiger Europäischer Währungsfonds formen und so die ohnehin unhaltbare Abhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds – und damit letztlich von den USA – beenden.

Beachtliches ist auch mit der Schaffung einer europäischen Bankenunion gelungen, die strenge Regeln für die Abwicklung gefährdeter Großbanken vorsieht, an deren Sanierung künftig auch deren Gläubiger mitzahlen. Ergänzend dazu sollten nun Möglichkeiten geschaffen werden, die vielfach noch gefährlich unterkapitalisierten Großbanken durch direkte ESM-Beteiligungen krisenfester zu machen.

Europa leidet nach wie vor an den Phantomschmerzen seines angeschlagenen (Groß-)Bankensystems. Solange dieses durch falsche Anreize besser von Spekulationen lebt als von der ureigensten Kernaufgabe, realwirtschaftliche Vorhaben zu finanzieren, kann die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht in Schwung kommen. Zur Überbrückung sollten Kredite und Beteiligungen durch Garantieinstrumente der Europäischen Investitionsbank und nationaler Förderbanken angekurbelt werden.

Fatal nur, dass die Tsipras-Regierung mit ihrer Überrumpelungstaktik eine gefährliche zeitliche Zuspitzung riskiert, die den Spielraum für die Erarbeitung grundsätzlicher Lösungen verkürzt hat. Nun bleiben nur wenige Tage für konkrete Vorentscheidungen darüber, ob das griechische Drama in der Katastrophe oder in einer Katharsis endet.

12. Februar 2015

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