die furche - 146

Freihandelsabkommen: Warum so kritisch?

 

nlässlich des Afrika-USA-Gipfels in Washington gaben die Staatschefs von Uganda, Ruanda und Kenia zu Beginn dieses Monats Pläne zur Gründung einer Zollunion bekannt. Damit endlich auch auf ihrem Kontinent eigenständiges Wirtschaftswachstum entstehen kann, wollen sie Handelsbarrieren zwischen ihren Staaten beseitigen. Ein erster Anfang wenigstens, wenn auch ein reichlich später.

Dass freier Handel Wohlstand schafft, wissen wir Europäer nicht erst seit der nachweislichen Erfolgsgeschichte des EU-Binnenmarktes. Dessen wichtigster Vorläufer war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der deutsche Zollverein, zu dem sich die damals noch 38 kleinteiligen deutschen Staaten nach den Konzepten des Nationalökonomen Friedrich List zusammenschlossen.

Wenn aber Freihandel eine so unbestritten gute Sache ist, warum stößt dann das geplante Abkommen der EU mit den USA – TTIP genannt – auf so großen Widerstand? Eine naheliegende Erklärung findet sich im Wortlaut: dieser beinhaltet nämlich neben der Handels- auch eine Investitionspartnerschaft. Mehr als um Zölle, die ohnehin schon weitgehend abgebaut sind, geht es in Wirklichkeit um zwei Themenbereiche, die in innerstaatliches Recht eingreifen. Da ist zum einen die Vereinheitlichung von Standards und Normen. Typisch dafür die Diskussion um das mittlerweile zum Symbol des Anti-TTIP-Protestes gewordene „Chlorhuhn“.

Mindestens ebenso umstritten und wohl noch komplexer ist jedoch der angestrebte, noch strengere Investitionsschutz für Unternehmen. Internationale Schiedsgerichte sollen darüber befinden, ob die Interessen eines Unternehmens durch veränderte gesetzliche oder politische Rahmenbedingungen geschädigt werden. Ihr Urteil kann nationales Recht aushebeln. Die Entscheidungen werden nicht von unabhängigen Richtern, sondern privaten Wirtschaftsanwälten getroffen, gegen deren Entscheidung meist keine Berufung möglich ist.

Weltweit gibt es auf Grundlage vergleichbarer Abkommen bisher schon weit über 500 Konzernklagen, die sich etwa gegen Umweltauflagen, Subventionskürzungen oder unliebsame Folgen gesetzlicher Maßnahmen richten können. So verlangt etwa der schwedische Energiekonzern Vattenfall von Deutschland 3,7 Milliarden Euro Schadenersatz für den im Zuge der Energiewende vollzogenen Atomausstieg.

Ein in diesen Tagen entscheidungsreif verhandeltes kanadisch-europäisches Abkommen sieht ebenfalls derartige Schieds-Verfahren vor. Sollte es im Herbst ohne Änderungen durch das europäische Parlament gehen, könnten US-Firmen über kanadische Tochterfirmen, die als Kläger auftreten, all das erreichen, was im TTIP nicht durchsetzbar wäre. Kein Wunder also, dass sich bereits Widerstand regt.

Nicht der unbestritten vorteilhafte Freihandel steht auf dem Spiel, sondern die Souveränität freier Staaten über ihren Standort. Deshalb sind die zentralen Bedenken der TTIP-Skeptiker ernst zu nehmen. Wer den sinnvollen Kern des Verhandlungspaketes retten will, wird in Sachen Mindeststandards und Investorenschutz auf ihre Argumente hören müssen.

14. August 2014

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