die furche - 142

Die EZB verspricht zu viel

 

Überschießende Kurse an den Aktienmärkten, historisch einzigartig niedrige Sparzinsen, aufkommende Ängste vor Deflation, lahmendes Wirtschaftswachstum: ein beunruhigender Nachrichten-Cocktail mitten in einer Phase der Lähmung europäischer Innenpolitik. In diesem Umfeld ist derzeit nur ein Akteur unabhängig und handlungsfähig: die Europäische Zentralbank. Umso genauer beobachten wir ihre jüngsten Maßnahmen: Zinssenkung bis in die Nähe von Null, Negativzinsen für Bankeinlagen und Sondergelder für Kredite der Banken an die Realwirtschaft. Das damit verbunden Versprechen: eine Ankurbelung der Konjunktur und Verhinderung von Deflation. Ich befürchte allerdings, dass sich der Einsatz dieser neuesten Instrumente schon bald als weitgehend wirkungslos erweisen wird.

Denn zum einen ist die Ankurbelung des Kreditgeschäftes der Banken nicht über marginale Senkungen des Zinsniveaus steuerbar, sondern nur durch eine bessere Regulierung. Diese muss sicherstellen, dass Banken mit solider Eigenkapital-Ausstattung, die das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft verfolgen, nicht weiter benachteiligt werden. Noch sind sie nämlich gegenüber jenen globalen Großbanken im Hintertreffen, die ihre Bilanzen durch Ausweitung spekulativer Geschäfte hochfahren, ohne realwirtschaftlichen Nutzen zu stiften.

Zum anderen ist die volkswirtschaftliche Ausgangslage in den Euro-Staaten viel zu unterschiedlich, um eine durchschnittliche Inflationsrate des Euro-Gebietes feinsteuern zu können. Wettbewerbsschwachen Mitgliedsländern bleibt ja – da ihnen der Weg in die Währungs-Abwertung versperrt ist – als einzig gangbarer Weg zur Wiedererlangung von Exportstärke eine Anpassungen des Preisniveaus nach unten – nicht zuletzt auch bei den Arbeitskosten. In Spanien und Portugal zeigen sich erste Erfolge dieser Strategie. Dass sie zu einem niedrigen, durchschnittlichen Inflationswert in der Euro-Zone beiträgt, ist sachlogisch und unbedenklich.

Bedenklich wäre allerdings, wenn das lahmende Wachstum auch wettbewerbsstarke Euro-Staaten in eine deflationäre, auf konjunkturellen Abschwung gerichtete Stimmungslage kippen ließe. Den entsprechenden Stimmungs-Aufheller kann allerdings nicht die EZB liefern, deren Zinsspirale nach unten längst ausgereizt ist. Der Impuls muss vielmehr von den Euro-Staaten selbst kommen, die im Kampf gegen steigende Arbeitslosigkeit Strukturreformen und großflächige Investitionsprogramme in Infrastruktur und Ausbildung brauchen.

Die starre Schuldenbremse, deren Messdaten aus den Uralt-Festlegungen des Maastricht-Vertrages stammen, erweist sich hier als Bremsklotz. Damals – vor mehr als zwei Jahrzehnten – ging man von fünfprozentigen Langfristzinsen und einem dreiprozentigen Wachstum aus. Derartige Werte sind für die kommenden Jahre auszuschließen. Die Folgen der Finanzkrise zwingen deshalb nicht nur die EZB, sondern auch die Euro-Staaten zu unkonventionellen Maßnahmen. Sobald die neue EU-Kommission steht, wird die Suche nach einem Konsens darüber ihre vordringlichste Aufgabe sein.

19. Juni 2014

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