die furche - 114

Steuermoral in der Schuldenkrise

 

Immer wieder hatte er sich öffentlich gegen Steuerflüchtlinge positioniert. Nun aber muss sich Uli Hoeneß, der erfolgreiche Unternehmer, Ex-Fußballprofi und souveräne Präsident des gerade sportlich auftrumpfenden FC Bayern München den Vorwurf der Doppelmoral gefallen lassen. Nur eine Kaution trennt ihn von der Untersuchungshaft, nachdem aufgeflogen war, dass er große Summen in die Schweiz verschoben und vor dem deutschen Fiskus versteckt hat.

Etwas Doppelmoralisches haftet allerdings auch der Empörung an, mit der man plötzlich garstig findet, was man bisher oft als Kavaliersdelikt verharmloste, solange gesichert war, dass niemand draufkommt. Nicht selten gilt ja das Aushecken raffiniertester, grenzgängerischer Konstruktionen zur sogenannten „Steueroptimierung“ im Rahmen des gerade noch gesetzlich Zulässigen als extremsportliche Übung, deren Gelingen letztlich bewundert wird. Und zwar selbst dann, wenn die Grenze zwischen legaler, aber exzessiver Steuergestaltung und Steuerhinterziehung verschwimmt – bis es eben zum Absturz kommt, wie eben jetzt bei Hoeneß.

Die medial inszenierte Hausdurchsuchung beim deutschen Post-Manager Klaus Zumwinkel vor drei Jahren war der erste sichtbare Hinweis auf rauhere Zeiten. Die Schuldenkrise mit ihren Budgetlasten steigert seither den Druck, Staatshaushalte nicht nur über Einsparungen oder Steuererhöhungen zu sanieren, sondern auch durch konsequentes Eintreiben hinterzogener Abgaben. Immerhin soll der jährliche Steuerentgang allein in Europa bei rund einer Billion Euro liegen – und damit höher als der gesamte mehrjährige EU-Finanzrahmen für 2014 bis 2020.

Ich erinnere mich an heftige Diskussionen über die Legitimität des Ankaufs gestohlener Liechtenstein-Adressen durch die deutschen Steuerbehörden. Wer so etwas tut, der betreibe Hehlerei, erzürnten sich viele meiner Gesprächspartner. Ich widersprach und verstieg mich zum Vergleich mit dem „Tyrannenmord“, also der moralischen Berechtigung, in äußersten Sonderfällen auch einmal unrechte Wege einzuschlagen. Am meisten aber überzeugte mich, dass ein so besonnener Politiker wie Wolfgang Schäuble bis heute dazu steht. Ohne diesen Tabubruch hätten sich wohl auch unsere die Schweizer Nachbarn nicht bewegt.

Mittlerweile werden konstruktivere Wege eingeschlagen. So sollen in Zukunft nicht nur Zinserträge sondern alle Kapitaleinkünfte – demnach auch Dividenden und Veräußerungsgewinne – einem automatischen Austausch von Steuerdaten unterworfen werden. Latent über Steuersünder-Köpfen kreisende Damokles-CD´s, die Enthüllungen durch „Offshore-Leaks“, aber auch Bürgerproteste gegen Konzerne wie Google, Amazon oder Starbucks, haben ein Klima geschaffen, in dem Regierungen politische Rückendeckung für konsequentere Gangarten bekommen.

Dass sich die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 vor wenigen Tagen auf das gemeinsame Ziel eines weltweiten automatischen Informationsaustausches geeinigt haben, ist jedenfalls ein guter Anfang.

02. Mai 2013

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